Bancassurance 2.0: Wie sich der Fokus in der Finanzdienstleistungsbranche auf den Kunden verlagert hat


Die Finanzdienstleistungsbranche hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Jetzt liegt der Schwerpunkt auf der Bereitstellung neuer Zugangspunkte, um die Kundenerfahrung zu verbessern.

Bis ins 16. Jahrhundert herrschte die Weltsicht vor, die Sonne würde sich um die Erde drehen. 1543 legte Nikolaus Kopernikus in seinem Hauptwerk «Über die Umlaufbahnen der Himmelssphären» eine diametral entgegengesetzte Weltsicht dar: Die Erde dreht sich um die Sonne. Diese Anschauung war natürlich vorerst verpönt. Dennoch setzte sie sich im Lauf der Jahrhunderte durch.

Die Geschichte wiederholt sich

Die Geschichte scheint sich beim Kundenzugang der Finanzindustrie zu wiederholen. Früher fehlten in der Finanzindustrie sowohl die Preiskonkurrenz als auch die Produktdifferenzierung. Der Kundenzugang war weitgehend proprietär: Jede Bank und jede Versicherung hatte ein hauseigenes Vertriebsnetz, das den Zugang zu Kunden exklusiv kontrollierte.

Das vorherrschende Weltbild war von einer Herstellersicht geprägt: Die Produzenten von Finanzprodukten standen im Zentrum und liessen die Kunden wie Planeten um sich kreisen. So ging man für eine Hypothek zur Bank, für eine Versicherung zum Versicherungsagenten und für eine Lebensversicherung zum Beispiel zum Gründer des Vitaparcours. Und für die Krankenversicherung besuchte man die Agentur einer Krankenkasse. Musste jemand diese Produkte alle gleichzeitig beschaffen – zum Beispiel, weil er aus dem Ausland herzog –, so erhielt er diese nicht an einem Ort.

Neue Zugangsarten erschliessen sich

Über die letzten Jahrzehnte hat sich der Kundenzugang zunehmend vom Produzenten gelöst und es sind neue Arten entstanden. Zuerst traten Broker auf, die Produkte unterschiedlicher Herkunft vertrieben. Dann kam das Internet und damit der Direktzugang über (Vergleichs-)Plattformen. Banken und Versicherungen gingen Kooperationen ein. Seit einigen Jahren bieten sogar branchenfremde Akteure Finanzprodukte an. Wer zum Beispiel ein Auto kauft, erhält vom Autohändler auch gleich die Leasingfinanzierung und die Motorfahrzeugversicherung dazu.

Durch die Brille des Kunden

Parallel zu dieser Entwicklung hat sich das Bewusstsein für den Kunden verändert. Dieser ist nach und nach ins Zentrum des Weltbilds gerückt – wie es Kopernikus für die Sonne konstatiert hat. Finanzdienstleister betrachten die Prozesse zunehmend aus Kundensicht. Sie sprechen von Kundenzentrierung und Customer Journey. Demnach versuchen sie, den Kundennutzen durch die Bündelung verschiedener Produkte zu optimieren.

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Abbildung 1: Die kundenorientierte Weltsicht

Im Kern angelangt

Damit ist die Finanzwelt zum Kern ihres Universums vorgedrungen: zum Kundennutzen. Dieser äussert sich zum Beispiel in Form von Zeitersparnis oder einer nahtlosen Abstimmung verschiedener Produkte untereinander. Den Kundennutzen gilt es zu optimieren – nicht die Produzentensicht. Die Digitalisierung kann diese Optimierung ermöglichen, aber sie ist nicht ein Ziel an sich.

Das Rad der Evolution dreht sich weiter

Als Folge dieser Entwicklung hat sich die Gewichtung unterschiedlicher Kundenzugänge verschoben. In Zukunft wird sie sich noch deutlicher verschieben (vgl. Abbildung 2).

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Abbildung 2: Verschiebung der Gewichtung des Kundenzugangs im Zeitverlauf

Neue Kundenzugänge sind Embedded Insurance, Kooperationen und vor allem Bancassurance 2.0. Für Finanzprodukte nimmt dieser Kanal schon bald eine Schlüsselrolle ein. Die Gründe dazu haben wir in unserem Blogbeitrag «Bancassurance 2.0 oder: wie aus dem hässlichen Entlein ein Schwan wurde» erläutert.

Der traditionelle Kundenzugang zu Bank- oder Versicherungsleistungen verschwindet nicht. Aber er verliert an relativem Gewicht und ändert seinen Charakter. Der Kundenzugang der Zukunft orientiert sich immer stärker an beratenden, wertschöpfenden Aktivitäten.


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