Nahezu alle Lebensbereiche verändern sich durch die Digitalisierung, auch die Gesundheitsversorgung. Wo befinden sich die Schweizer Spitäler auf dem Weg zum «Digitalen Spital»? Um das herauszufinden, haben wir mehr als 300 – im Schweizer Spitalwesen tätige – Personen befragt.
Im zweiten Teil unserer Artikelserie nehmen wir die Perspektive der Patienten ein und gehen der Frage nach, inwieweit sie auf ihrem Behandlungspfad digital begleitet werden.
Wir betrachten den gesamten Patientenpfad: Die sogenannte «Patient Journey» beginnt bereits in der Phase vor dem eigentlichen Spitalaufenthalt. In dieser Phase geht es vor allem um vorbereitende Aktivitäten, die den Eintritt des Patienten möglichst effizient und angenehm gestalten sollen. Während des Aufenthalts stehen Aktivitäten rund um die medizinische Behandlung, aber auch Hotellerie-Themen im Fokus. Die Journey des Patienten endet indes nicht mit dem Austritt. Denn in der Phase nach dem Aufenthalt werden für den Patienten wichtige Weichen für seine Genesung und optimale Nachsorge gestellt. Entlang aller drei Phasen gibt es erhebliches Potential für die Digitalisierung (vgl. Abbildung 1).
Die Ergebnisse unserer Befragung deuten darauf hin, dass heute kaum ein Spital den gesamten Pfad des Patienten digital begleitet. Besonders fällt hierbei auf, dass soweit überhaupt digitale Elemente vorhanden sind, sich diese vor allem auf die Phasen während und nach dem Aufenthalt beziehen: So scheinen bei 20% der Spitäler hier bereits einzelne Instrumente im Einsatz zu sein. In der Phase vor dem Aufenthalt scheint dies gerade einmal bei 2% der Spitäler der Fall zu sein. Die meisten Potentiale werden hier also nicht genutzt.
Die Phase vor dem Spitalaufenthalt soll der optimalen Vorbereitung von Patient und Spital dienen. Hierzu gehört, dass der Patient gut und transparent informiert ist sowie erforderliche Aufgaben bereits im Vorfeld erledigen kann, welche klassischerweise erst bei Eintritt im Spital durchgeführt werden, wie z.B. die Erfassung administrativer Daten, die Menüauswahl oder auch präoperative Beratungs- und Aufklärungsgespräche.
Heute bieten Schweizer Spitäler entlang dieser Phase kaum digitale Instrumente an: Sowohl beim digitalen Spitaleintritt wie auch bei der digitalen Terminverwaltung scheinen gerade einmal 4% der Spitäler solche Self-Services im Einsatz zu haben. Digitale Kommunikationsmöglichkeiten über das Medium «E-Mail» hinaus (z.B. «Chat» oder «Videotelefonie») scheint, noch bei keinem Spital eingesetzt zu werden. Gleiches gilt für die «digitale Anamnese & Beratung», welche beispielsweise für präoperative Anästhesiegespräche anwendbar wäre.
Immerhin geben die Befragten von jedem fünften Spital an, dass der «digitale Spitaleintritt» als Self-Service in Umsetzung sei. «Digitale Kommunikationsmöglichkeiten über E-Mail hinaus» wird bei 16% der Spitäler implementiert. «Digitale Terminverwaltung als Self-Service» ist bei 8% der Spitäler in Umsetzung.
Während des Spitalaufenthalts sind – neben den Aktivitäten rund um die medizinische Behandlung selbst – vorwiegend Hotellerie-Themen im Fokus. Digitale Hilfsmittel können helfen, den Aufenthalt für den Patienten angenehmer sowie die Koordination und Kommunikation mit dem Patienten effizienter und transparenter zu gestalten.
Doch heute scheinen Schweizer Spitäler diese Potentiale noch kaum auszuschöpfen: Gerade jedes fünfte Spital setzt «digitale Medikationspläne» und «digitale Patientenbefragungen» ein. Bei 28% scheint immerhin eine «digitale Terminverwaltung» im Einsatz zu sein. Also «Digitale Hotellerie Self-Services» (z.B. Menüauswahl) bieten rund 16% der Spitäler ihren Patienten an, wohingegen «digitale Gebäudenavigation innerhalb des Spitals» so gut wie gar nicht eingesetzt wird (8%).
Ein Blick auf die Pipeline der Spitäler verrät uns, welche Vorhaben sich aktuell in Umsetzung oder in Diskussion befinden: Bei fast der Hälfte der Spitäler (44%) scheinen «Digitale Hotellerie Self-Services» in Umsetzung oder zumindest in Diskussion zu sein. Immerhin bei rund 40% sind der «digitale Medikationsplan» und die «digitale Patientenbefragung» in Umsetzung oder in Diskussion, bei der «digitalen Terminvereinbarung» ist dies 36%. Eine «digitale Gebäudenavigation» scheint hingehen nur bei rund jedem fünften Spital im Diskussionsstadium und sogar nur bei 4% in Umsetzung zu sein.
Bisweilen endet für das Spital die Betreuung des Patienten mit dessen Austritt. Doch gerade in der Phase nach dem Spitalaufenthalt liegt grosses Potential für die optimale Unterstützung des Genesungsprozesses und der weiteren Nachsorge.
Heute scheint sich die Digitalisierung in dieser Phase jedoch im Wesentlichen darauf zu beschränken, dem Patienten Dokumente, wie z.B. Behandlungsberichte digital zur Verfügung zu stellen. Dies scheint bei rund der Hälfte der Spitäler heute gängige Praxis zu sein. Bei ca. 20% der Spitäler sind zudem «digitale Terminverwaltung», genauso wie «digitale Patientenbefragung» im Einsatz. Kaum verbreitet hingegen in Schweizer Spitälern sind Services wie die «digital unterstützte Nachsorge» oder «digitale Kommunikationsmöglichkeiten über E-Mail hinaus» (4%).
Es lässt sich jedoch zumindest ein wenig Bewegung ablesen: Etwa jedes dritte Spital scheint die Themen «digitale Unterstützung der Nachversorgung», «digitale Terminverwaltung», «digitale Patientenbefragung» und «digitale Kommunikationsmöglichkeiten, die über E-Mail hinausgehen», zumindest in Diskussion zu haben oder bereits an Umsetzungen zu arbeiten.
Nicht im Einklang mit dem Zeitgeist und der Erwartungshaltung heutiger Patienten erscheint hingehen unsere Erkenntnis, dass offenbar für jedes vierte Spital die «digitale Unterstützung der Nachversorgung» und «digitale Kommunikationsmöglichkeiten, die über E-Mail hinausgehen», aktuell «kein Thema» darstellen.
Die Ergebnisse unserer Erhebung legen nahe, dass heute noch kaum ein Spital den Patienten auf seinem Pfad ganzheitlich und systematisch durch digitale Instrumente unterstützt. Zudem scheint fraglich, welchen Reifegrad die heute bereits eingesetzten Lösungen besitzen und inwieweit diese sich in einen gesamtheitlichen Digitalisierungsansatz einfügen.
Dass die Digitalisierung in der Schweizer Spitallandschaft noch wenig fortgeschritten ist, wurde in diesem Jahr auch durch die COVID-19-Pandemie verdeutlicht. So fehlten beispielsweise digitale Interaktionsmöglichkeiten mit den Patienten, wodurch eine «Fernberatung und -behandlung» nur eingeschränkt möglich war. In der Folge mussten viele Termine abgesagt oder verschoben werden. Aus der Not heraus setzten Spitäler aber auch auf digitale Kommunikationsdienste wie Skype oder Zoom, deren regulatorische Zulässigkeit zumindest fraglich ist.
Wir empfehlen einen ganzheitlichen und systematischen Digitalisierungsansatz entlang des Patientenpfads: Gemeinsam mit unseren Kunden entwickeln wir hierfür in einem agilen, dynamischen Modus ein Zielbild und eine Digitalisierungs-Roadmap. Wir steigen zügig in Umsetzungsvorhaben ein und generieren schnell Mehrwerte für Patienten und Mitarbeitende.
Unsere Artikelserie zu unserer Studie «Auf dem Weg zum digitalen Spital» wird fortgesetzt: Im nächsten und letzten Teil werden wir die Innovationsfähigkeit Schweizer Spitäler beleuchten.
Mit dieser Studie möchten wir den Stand der Digitalisierung im Schweizer Spitalwesen aus dem Blickwinkel der dort tätigen Experten beleuchten. Hierzu haben wir über 300 Beschäftigte aus 26 verschiedenen Schweizer Spitälern zu den Themen Innovationsfähigkeit, Digitalisierung, elektronisches Patientendossier und digitaler Patientenpfad befragt. Die Befragung fand von Oktober 2019 bis Januar 2020 statt.
Synpulse beschäftigt sich intensiv mit der Digitalisierung im Gesundheitssektor. Um Transparenz über das Fortschreiten verschiedener Entwicklungen zu erhalten, führen wir regelmässig Marktstudien durch. Die Ergebnisse dieser Studie sollen Diskussionsgrundlage und Denkanstösse sein und zu kreativen, strategischen Überlegungen inspirieren.
Gerne stellen wir Ihnen die detaillierten Ergebnisse unserer Studie persönlich vor und identifizieren gemeinsam mit Ihnen mögliche Handlungsfelder. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.