Selbstregulierung für Sustainable Finance


Die Schweiz verfügt ab dem 1. Januar 2023 über eine verpflichtende Selbstregulierung. Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) hat neue Mindestvorgaben für Nachhaltigkeitskriterien in der Anlage- und Hypothekarberatung publiziert.

Regulation nun auch in der Schweiz

Der Wunsch nach mehr Transparenz im Bereich Sustainable Finance verstärkt sich. Er folgt einer ersten Innovationswelle, die aus einem erhöhten Interesse am Thema von verschiedenen Anspruchsgruppen und der damit verbundenen Entwicklung neuer Bankprodukte entstand. Diesem Wunsch ist die Europäische Union (EU) mit einer Vielzahl von Regelungen begegnet[1].

Im Juni 2020 hat die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) einen Leitfaden für den Einbezug von ESG-Kriterien in den Beratungsprozess von Privatkunden publiziert. Nun hat sie im Juni 2022 mit zwei bindenden Selbstregulierungen zu Sustainable Finance nachgedoppelt und verpflichtet alle Mitgliedsinstitute, diese zu befolgen. Damit verfügt nun auch die Schweiz über eine bindende Regulation sowohl im Anlagen- wie auch im Hypothekenbereich.

Selbstregulierung zur nachhaltigen Ausrichtung der Geschäftsbereiche

Nachdem sich die Banken in den letzten Jahren insbesondere auf die Implementierung von Nachhaltigkeit auf Unternehmens-, Produkt- oder Finanzinstrumentenebene konzentriert haben, zielt die Selbstregulierung auf die Definition von Nachhaltigkeit auf Geschäftsbereichsebene ab (vgl. Abbildung 1).

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Abbildung 1: Vier Ebenen der Nachhaltigkeit

Damit wird ein elementares Bindeglied für die Einbettung der Produktlandkarte in ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept geschaffen. Was wiederum Instituten hilft latente Reputationsrisiken zu reduzieren und Geschäftsopportunitäten erfolgreich zu nutzen.

Anlegerschutz verpflichtet zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitspräferenzen

Die SBVg hat die «Richtlinien für die Finanzdienstleister zum Einbezug von ESG-Präferenzen und ESG-Risiken in der Anlageberatung und Vermögensverwaltung» auf Basis des Finanzdienstleistungsgesetzes (FIDLEG) erarbeitet. Dies mit den folgenden Zielen:

  1. die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden und Nachhaltigkeitsrisiken im Beratungsprozess zu berücksichtigen,
  2. mehr Transparenz zu schaffen, sowie
  3. den Bankenplatz Schweiz zu stärken.

Nachhaltigkeitskriterien, die von Privatkunden gewählt werden, müssen in die Angemessenheits- und die Eignungsprüfung nach FIDLEG einfliessen. Professionelle Kunden können auf deren Anwendbarkeit verzichten und für institutionelle Investoren gilt die neue Richtlinie nicht. Finanzdienstleister müssen durch die Integration von Nachhaltigkeit in die Beratung der Kundschaft den gesamten Beratungsprozess (Kundenprofilierung und Zieldefinition, Selektion von Anlagelösungen, Dienstleistungserbringung, Zielüberprüfung) auf die neuen Anforderungen überprüfen und gegebenenfalls anpassen.

Zusätzlich müssen Institute den Anlageprozess der Advisory- und Research-Teams, sowie des Portfoliomanagements überprüfen und gegebenenfalls neu ausrichten, damit die Bewirtschaftung der Kundenportfolios regulatorisch korrekt erfolgen kann.

Energieeffizienz von Liegenschaften im Visier

Hauptziel der neuen «Richtlinien für Anbieter von Hypotheken zur Förderung der Energieeffizienz» ist es, die Kundschaft auf die Energieeffizienz ihrer Liegenschaften hinzuweisen und bei der Förderung der Energieeffizienz zu unterstützen.

Die Richtlinien ermöglichen es, die Hypothekarkonditionen mit Blick auf die Nachhaltigkeit einer Immobilie hinsichtlich Belehnungswert, Tragbarkeit, Amortisationen und effektiven Zinssatz anzupassen. Zudem können Finanzdienstleister für die Finanzierung von energieeffizienten Liegenschaften eigene Produkte entwickeln.

Konkret müssen die Finanzdienstleister ihren Kundenberatungsprozess und bestehende Hypothekarforderungen um die folgenden Elemente ergänzen:

  1. Thematisierung des Erneuerungsbedarfs, sowie
  2. transparente Darstellung der Finanzierungsoptionen (Fördermassnahmen inkl. Unterstützung in der Antragstellung und in der Suche relevanter Beratungsstellen).

Das bedeutet, dass Finanzdienstleister sowohl den Beratungsprozess gegenüber der Kundschaft als auch den bankinternen Kreditprozess überarbeiten müssen.

Nutzen Sie diese einmalige Chance!

Die neue Selbstregulierung ist für die Schaffung von mehr Transparenz und den Einbezug von individuellen Kundenbedürfnissen hinsichtlich Nachhaltigkeit zentral. Die Richtlinien betreffen sowohl die Anlagen selbst als auch sämtliche Finanzierungen von Liegenschaften. Deshalb müssen die Finanzdienstleister Beratungsprozess, Anlageprozess und Kreditprozess überprüfen, gegebenenfalls überarbeiten und Dokumente (z. B. Anlegerprofil) neu erstellen. Im Weiteren müssen sie sämtliche Personen mit Kundenbetreuungsaufgaben entsprechend schulen.

Wir sind überzeugt: Diese Entwicklung bietet Ihnen als Finanzdienstleister eine einmalige Chance. Nutzen Sie sie und positionieren Sie sich als weitsichtiges Unternehmen, dass die Bedürfnisse seiner Kundschaft und die Anforderungen der Regulation für holistische Nachhaltigkeitsprodukte schon heute berücksichtigt. Dadurch reduzieren Sie nicht nur verborgene Reputationsrisiken, sondern sind bestens aufgestellt für die Anforderungen der künftigen Kundengeneration.

Zu Beginn des Jahres 2023 treten die beiden Selbstregulierungen mit unterschiedlichen Übergangsfristen in Kraft. Ein idealer Zeitpunkt also, um die geeignete Positionierung im Bereich Sustainable Finance zu eruieren. Gerne unterstützen wir Sie in sämtlichen Vorhaben zum Thema, sei es bei der Überarbeitung der Prozesse und Dokumente oder bei der Schulung des Personals. Für weiterführende Informationen oder ein unverbindliches Erstgespräch sind wir gerne für Sie da. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.

[1] Schweizer Banken wählen in den Kundenverträgen in der Regel einen Schweizer Gerichtsstand und erklären das Schweizer Recht für anwendbar. Deshalb hat die Anwendung der europäischen Regulation auf den ersten Blick keinen Einfluss. Allerdings kann gemäss dem Lugano-Übereinkommen dem Privatkunden unter bestimmten Voraussetzungen ein zwingender Gerichtsstand im Staat seines Wohnsitzes zugesprochen werden. In diesem Fall besteht zumindest die Gefahr, dass gewisse Bestimmungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit aus Konsumentenschutz trotz anders lautenden Verträgen zur Anwendung kommen.


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