Versicherungswesen im Umbruch – wagen Sie den Sprung in die Zukunft?


Gesellschaftliche und technologische Megatrends machen auch vor dem Versicherungssektor nicht halt. Wir sehen es als unsere Aufgabe als branchennahe Spezialisten, jenseits des täglichen Geschäfts eine Standortbestimmung vorzunehmen und auch einen Blick in die Zukunft zu wagen. Daraus entstand ein Modell, welches in der aktuellen Transformationsphase als Orientierung dienen soll.

Das Versicherungswesen ist im Umbruch. Das zeigt sich an den Investitionen, die seit einigen Jahren vermehrt Richtung Insurtechs fliessen. Analog der vorangegangenen Welle der Fintechs, ist dies ein Indiz für ein technologiebedingtes Ungleichgewicht im Markt. Die so entstandenen (Angebots-)Lücken (Stichwort: Embedded Insurance) müssten nun branchenintern gefüllt werden. Die Alternative ist, dass branchenfremde Disruptoren diese Aufgabe übernehmen.

Für diese aktuellen Verwerfungen muss sodann oftmals die digitale Transformation sowohl als Ursache wie auch als Lösung hinhalten. Es ist die Digitalisierung, welche den Kunden den direkteren Zugriff erlaubt. Es ist die Digitalisierung, welche neue Vertriebsmodelle nötig macht. Und es ist die Digitalisierung, welche als Allheilmittel für die heutigen Herausforderungen hochgehalten wird.

«Technologie darf nicht der Treiber der Disruption sein. Es muss wirklich die Customer Obsession oder Centricity […] Treiber der Disruption sein.»

Piero Campopiano, Smile

Dass hier Handlungsbedarf besteht, zeigt auch das aktuelle Marktgeschehen. Sowohl auf der Angebotsseite – Auftritt neuer Marktteilnehmer – als auch auf der Nachfrageseite – wandelnde Kundenbedürfnisse – sind die etablierten Player einem Veränderungsdruck ausgesetzt. Dieser wirft Fragen auf, auf die «Digitalisierung» keine genügende Antwort ist.

Um diese Fragen zu beantworten, braucht es nicht nur eine tiefe Kenntnis der heutigen Branchenstruktur, sondern auch ein dynamisches Modell, das Entwicklungen aufzeigt und Entscheidungsträger entsprechend unterstützt. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, ein solches Modell für die Sparten P&C und Leben zu entwickeln und es mit Stimmen aus der Branche zu testen und zu festigen.

Neue Ausgangslage im Rennen um die Kundenschnittstelle - wir zeigen Ihnen die passende Lösung.

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Theorie und Modell

Der Druck auf die Schweizer Assekuranz steigt. Die Digitalisierung stellt schwierige Fragen in allen Geschäftsbereichen und überall in der Wertschöpfung. Durch die Diskrepanz zwischen teilweise veralteten Geschäftspraktiken und neuen Realitäten entstehen Chancen. Die Gesetze des Marktes wollen, dass diese gepackt werden – sei es durch etablierte Markteilnehmer oder durch Neu- bzw. Quereinsteiger. Beides können wir schon beobachten.

Die Kundenschnittstelle als Schlüssel

Unser Modell soll genau diese Gemengelage reflektieren und mögliche strategische Handlungsoptionen aufzeigen. Die Kundenbeziehung bzw. Kundenschnittstelle dient dabei als Dreh- und Angelpunkt. Vorauszusenden ist dabei, dass wir unsere Analysen und Klassifizierungen nicht auf Stufe des gesamten Versicherungsunternehmens, sondern einzelner Geschäftsfelder vornehmen. Auf der Ebene des einzelnen Geschäftsfeldes droht auch die Disruption von aussen, die es vorwegzunehmen gilt.

So ist es denkbar, dass im Bereich Motorfahrzeugversicherung die Kundenschnittstelle in Zukunft von grossen Mobilitätsanbietern besetzt wird. Die Versicherung wäre dort ebenso integriert wie die Zündkerze im Motor des Fahrzeugs. Hingegen sind Versicherer möglicherweise gut positioniert, den Lebensbereich «Vorsorge» prominent zu besetzen und weitere Serviceanbieter an die eigene Kundenschnittstelle als Dienstleister anzubinden. Für Industriekunden hingegen könnte die Versicherung weiterhin als eigenständiges Produkt angeboten werden.

«Ich glaube, dass die Versicherer tendenziell die sogenannte Kontrolle über die Kundenschnittstelle verlieren. Und von dem her gesehen, die Fähigkeit, sich in Ökosystemlandschaften zu integrieren, signifikant an Bedeutung zunimmt.»

Marco Kamerling, iptiQ

Schon positioniert, offensiv, explorativ oder abwartend: die aktuelle Unterteilung

Schauen wir mit der Brille «Besetzung der Kundenschnittstelle» auf die gegenwärtige Landschaft, so teilt sich diese in vier Positionen: Als «Insurance Factory» klar positioniert sind einige Insurtechs. Die grossen Allspartenversicherer teilen sich in offensive, explorative und abwartende. Die offensiven wollen für definierte Geschäftsbereiche die Ökosystem-Orchestrator-Rolle einnehmen. Die explorativen testen erste Partnerschaften, die abwartenden beobachten die Entwicklung. Interessanterweise zeichnen sich die offensiv Agierenden durch eine aktive Einstellung gegenüber der digitalen Beschleunigung aus. Sie setzen auf In-house Innovationen und hoffen, durch proprietäre Werkzeuge und eine stete Optimierung der Kernfunktionen einen komparativen Vorteil zu schaffen bzw. auszubauen. Sie priorisieren eine strenge Kontrolle des Innovationsprozesses und laufen bisweilen Gefahr, betriebsblind zu werden.

Auf der anderen Seite stehen die Abwartenden. Mit offenen Innovationsansätzen wird bewusst die Nutzung von unternehmens- und branchenfremden Innovationen angestrebt. Die erfolgreiche Umsetzung eines solchen Ansatzes setzt eine klare Zielsetzung, geregelte Zuständigkeiten sowie ein kontrolliertes Budget voraus. Andernfalls besteht das Risiko der Ausuferung. Zu den gängigsten Komponenten einer offenen Innovationsstrategie gehören Partnerschaften und Innovation Garages.

Wir sehen im Schweizer Markt vier Positionierungen in der Frage der Kundenschnittstelle:

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Abbildung 1: Vier Positionierungen im Schweizer Mark

Mögliche Pfade aus dem Strategiedilemma

Wie bereits erwähnt, gehen wir von der Kundenschnittstelle als Kernstück in der strategischen (Neu-)Orientierung aus – denn neue Marktteilnehmer setzen hier an. Sie treten als Teil integraler Ökosysteme auf und erzwingen so bei den Etablierten eine Weichenstellung. Wer wird zukünftig die Kundenschnittstelle besetzen, und wie? Wer wird die Wertschöpfungskette breiter zu nutzen wissen und damit neue Einnahmequellen erschliessen? Diese Überlegungen münden aus unserer Sicht in drei mögliche Pfade.

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Abbildung 2: Handlungsoptionen von Versicherungen nach Geschäftsfeld
  1. Versuche ich, als Orchestrator eines Ökosystems die Kundenschnittstelle mit ausgewählten Partnern über eine gesamte Customer Journey zu besetzen oder
  2. behalte ich die Kundenschnittstelle im Alleingang als Boutique in einem definierten Bereich oder
  3. gebe ich die Kundenschnittstelle auf und werde ein hocheffizienter Produktelieferant («Insurance Factory»)?

In einer zweiten Stufe wird klar, dass jedes dieser möglichen Zielbilder gewisse «Capabilities» voraussetzt, welche sich zwischen den Ansätzen stark unterscheiden und kaum parallel umzusetzen sind. Hierin zeigt sich die festgestellte praktische Inkompatibilität der Ansätze auch in der Theorie.

«Es bietet sich durchaus die Chance, sich als Versicherer an der Kundenschnittstelle als ‹Trusted Advisor› zu positionieren. Dieses Wettrennen ist in der Schweiz noch nicht entschieden.»

Sandra Hauser, Zurich

Der übliche Fall eines grossen klassischen Versicherers präsentiert sich als Mischung aus unterschiedlich positionierten Geschäftsfeldern. Mittel- bis längerfristig stellt unser Modell die Wirtschaftlichkeit einiger dieser Geschäftsfelder wohl infrage. Bis es aber tatsächlich so weit ist, können noch etliche profitable Jahre bevorstehen, die kein Unternehmen opfern will. Hier verlangt das Modell lediglich, dass auch der Nullentscheid – also weitermachen wie bisher – bewusst gefällt wird. Gleichzeitig legt es zumindest die Planung, wenn auch noch nicht deren Umsetzung, der weiteren Entwicklung nahe. Denn die Konsequenzen einer Weichenstellung sind weitreichend.

Ziel eines Modells muss sein, falsifizierbare Aussagen zu treffen. Dies bedingt eine robuste Verankerung in der Realität und eine praxisnahe Ausgestaltung. Um dies zu erreichen, haben wir den intensiven Austausch mit der Industrie zum Herzstück des Projekts gemacht. Dieser fand in der Form von freien Gesprächen, strukturierten Interviews und standardisierten Umfragen statt, und zwar sowohl auf oberster Führungs- wie auch auf operativer Ebene. Dafür konnten wir viele der wichtigsten Exponenten der Schweizer Assekuranz gewinnen, die zusammen zwischen 70 und 80% der Branche im Land ausmachen. Dadurch erhalten die Ergebnisse die nötige Repräsentativität, um im Rahmen des Modells als Basis für generalisierende Aussagen und auch spezifische Voraussagen zu dienen.

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Unser Fazit für die Versicherungsbranche

Die Frage der Positionierung der eigenen Firma im Rennen um die Kundenschnittstelle hat höchste strategische Bedeutung. Dabei entscheidend ist nicht nur die eigene Ausgangslage (Markenbekanntheit, technische Bereitschaft, personelle Fähigkeiten) sondern auch die Relevanz von Versicherung in einem Lebensbereich. Die Relevanz der Versicherung innerhalb einer Customer Journey sollte realistisch eingeschätzt werden. Ein Nachteil der Assekuranz ist im Vergleich zu anderen Sparten (Retail, Mobilitätsanbieter, Telekom), dass Versicherung meist kein Wunschprodukt der Kunden darstellt und die Interaktionsdichte häufig sehr niedrig ist. Als Vorteil lässt sich anführen, dass Kunden den Versicherern gegenüber generell ein hohes Vertrauen bezüglich der Wahrung der Datenintegrität entgegenbringen.

Unser Eindruck aus den Experteninterviews war, dass das Bewusstsein der Organisation für diese Weichenstellungen noch nicht ausgeprägt ist. Es wiegen sich viele in einer möglicherweise trügerischen Sicherheit, dass die eigene Marke weiterhin unverändert am Markt sichtbar bleiben wird.

Wenn auch Sie Ihre Positionierung überdenken möchten, stehen wir Ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Wir bereiten Sie auf die Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation vor.