Die steigenden Gesundheitskosten, neue Tarifsysteme wie TARDOC und die fortschreitende Digitalisierung setzen Krankenversicherer unter Druck, ihre Leistungsprüfungsprozesse effizienter und zukunftssicher zu gestalten. In einer dreiteiligen Artikelserie beleuchten wir, wie Versicherer durch Automatisierung, Industrialisierung und gezielte Betriebsoptimierung nicht nur den regulatorischen Anforderungen gerecht werden, sondern auch Wettbewerbsvorteile erzielen können. Entdecken Sie, welche Strategien notwendig sind, um die Leistungsprüfung auf das nächste Level zu heben.
Die Leistungsprüfung ist gemäss KVG-Artikel 421 Krankenversicherung und sichert eine korrekte und effiziente Kostenkontrolle. Fast die gesamten Prämieneinnahmen einer Kasse werden in Form von bezahlten Schäden und Leistungen wieder ausbezahlt. Angesichts der steigenden Gesundheitskosten, komplexer werdender Regeln und der Einführung neuer Tarifmodelle wie TARDOC und ambulanten Pauschalen müssen die Prüfprozesse und -regeln kontinuierlich nachgeführt und optimiert werden.
Die Betriebsorganisation ist mit Vorhaben, wie der oben erwähnten Einführung neuer Tarife zusätzlich zu den Grundaufgaben regulatorischer und tariflicher Anpassungen stark gefordert. Darüber hinaus hat das Management eigene Vorstellungen und Zielbilder, in welche Richtung sich die Leistungsprüfung in ihrem Unternehmen weiterentwickeln soll und mit welchen Kennzahlen das Geschäft und die Belegschaft künftig besser gesteuert werden sollen.
Auf Basis langjähriger Erfahrungen in der Verbesserung der Leistungsprüfung bei vielen Krankenversicherern zeigen wir auf, welche Herausforderungen heute und in Zukunft bestehen. Daneben präsentieren wir Ideen und Ansatzpunkte, wie sich Krankenversicherungen effizient und effektiv für solche Aufgaben aufstellen können.
Das aktuell wahrscheinlich wichtigste Projekt bei allen Grundversicherern im Bereich Leistungen für das kommende Jahr ist der geplante Wechsel des Tarifs für die ambulante Grundversorgung. Neben den tagtäglichen Routinearbeiten mit Regelwerk- und Tarifpflege für gesetzliche Änderungen gilt es hierfür genügend Ressourcen seitens Fachführung wie auch für die Business Analyse und Regelwerk-Parametrierung bereitzustellen, um die Umstellung von TARMED auf TARDOC und ambulante Pauschalen auf den 01.01.2026 (Stand Oktober 2024) bewerkstelligen zu können.
Auf den ersten Blick erscheint dieses Vorhaben eher technischer Natur zu sein. Ein Grossteil dieser Arbeiten liegt im Regelwerk und wird von den Softwarelieferanten wie Adcubum oder SUMEX geleistet und an die Anwender ihrer Produkte verteilt. Dies stellt nach unserer Überzeugung aber nur eine Facette der ganzen umfassenden Umstellung dar, die als Ganzes weit über die technische Lösung hinausgeht.
Durch die Standardisierung von Beleglayouts und die Etablierung technischer Standardformate kann die stetig wachsende Anzahl an Rechnungsbelegen weitgehend digitalisiert und automatisiert geprüft werden. Der zweite wichtige Bestandteil der Leistungsprüfung ist die vorgelagerte Kostensicherung durch die Prüfung von Kostengutsprachen und Gesuchen, deren Digitalisierung erst kürzlich mit Standards wie eKogu (von Medidata) und SHIP (von santésuisse) gestartet hat. Es wird allgemein erwartet, dass auch diese Prozesse in den kommenden Jahren weiter industrialisiert und automatisiert werden. Die Regelwerke werden an Umfang und Komplexität zunehmen. Auf die Analogie von Regelwerken und Datenhaltung für Kostengutsprachen und für Leistungen ist zu achten.
In den nächsten Jahren wird sich die automatisierte Prüfung von Kostgutsprachen in ähnlichem Rahmen industrialisieren wie die Rechnungsprüfung in den letzten 10 Jahren.
Die oben erwähnte standardisierte Belegprüfung geht mit einer hohen Komplexität der Lösung einher. Entsprechend aufwendig ist die Wartung und Weiterentwicklung dieser fachlichen Verifikation und bestmöglichen Automatisierung. Oftmals wird die Pflege und Weiterentwicklung der Leistungsprüfungssysteme analog anderen Kerndisziplinen wie Bestands-, Produkt- oder dem Dokumentenmanagement betrachtet und priorisiert. Dies betrifft etwa die Anzahl der geplanter Software-Releases, die Testansätze oder den punktuellen Einsatz von Business Analysten. Diese generische Sichtweise und Priorisierung werden aus unserer Sicht dem Potential moderner Leistungsprüfungssysteme nicht gerecht.
In Anbetracht des grossen öffentlichen Interessens an Krankenversicherern und des sich ergebenden Spardrucks, werden trotz der immer neuen und komplizierteren Anforderungen kaum personelle Erweiterungen vorgenommen. Stattdessen werden grössere Aus- und Umbauten der Prüfungen und Prozesse nach hinten priorisiert. Dies birgt die Gefahr, dass die Betriebsorganisation der Leistungsprüfung, insbesondere der Regelwerk- und Tarifpflege, in einer Art «Betriebsfalle» stecken bleibt. Die Visionen und ausformulierten Zielbilder des Leistungsmanagements können kaum verfolgt werden.
Um solche Visionen zu erreichen, wird mehr als eine operationelle und reaktive Überwachung der Rechnungsauslenkung und -bearbeitung sowie die Steigerung der Dunkelverarbeitungsquote sowohl auf Rechnungen als auch Kostengutsprachen erwartet. Eine proaktive Steuerung und Einflussnahme auf relevante Stellgrössen je nach Saison und entsprechendes Reporting und Benchmarking im Markt sind notwendig.
Viele Krankenversicherer haben unterdessen die gleichen oder ähnliche Software-Module im Einsatz zur Unterstützung der gesetzlichen Verpflichtung zur Rechnungsprüfung. Eine Differenzierung und Positionierung der Versicherer geschieht deshalb nicht in den Systemen, sondern in der dahinterliegenden Betriebseffizienz sowie in der Nutzung der sich bietenden Möglichkeiten für eine effektive, effiziente und stetig angepasste Leistungsprüfung. Wer hierfür genügend Knowhow und Kapazitäten richtig einsetzt, erarbeitet sich durch tiefere Betriebs- und Leistungskosten einen Wettbewerbsvorteil.
Lesen Sie im nächsten Artikel, wie unser Vorgehen für die TARDOC-Umstellung aussieht, und welche Hilfsmittel Ihnen eine schnellere Abschätzung des erwarteten Aufwands erlauben. In unserem dritten Artikel erfahren sie dann, was es konkret zu beachten gibt bei der engen Verzahnung der Prüfregelwerke für Rechnungen und Kostengutsprachen.
Zum Ende der Serie zeigen wir im Ihnen auf, wie wir eine umfassende Betrachtung von Daten, Potentialen, End-2-End-Prozessen erreichen und welche Vorteile sich daraus ergeben.
Mit unserer langjährigen Erfahrung in der Leistungsprüfung zeigen wir Ihnen aktuelle und zukünftige Herausforderungen auf und bieten effektive Lösungen. Kontaktieren Sie uns, um Ihre Leistungsprüfung zum Erfolg zu führen!
1 Art. 42 KVG: Prüfung der Rechnungen, ob sie nach den Verträgen und Tarifen sowie nach den gesetzlichen Bestimmungen und Richtlinien erstellt worden sind.